Der Film „Das bessere Leben“ - wer beneidet wen?
Bei Juliette Binoche denkt man doch automatisch an gutes, verlässliches Schauspiel, eher geerdete Romantik, und an ihre herrliche weibliche Aura, die immer ein bisschen die einer Genusssüchtigen ist, die niemals altert... stets verkörperte sie eine Prise Wahnsinn, ihre Rollen waren oft ein bisschen durchgeknallt. In „Das bessere Leben“ hat man allerdings den Eindruck, ihre Rolle wäre es gern, ist es aber nicht. (Die Szene, in der sie das Hühnchen in Weißweinsoße zubereitet, sich betrinkt und irre anfängt zu lachen, sie lässt das Interview mit der Blonden Revue passieren, etc...) Das stimmt einen traurig, man erlebt ein leichtes Fremdschämen und möchte mit ihr das Glas erheben.
In „Das bessere Leben“ ist in manchen Szenen nicht ganz abzusehen, wer eigentlich wen beneidet.
Während man im Kino sitzt, wird man regelrecht in den Film hinein gezogen, eingelullt von der (eigentlich abartigen) Romantisierung der Pariser Edel-Prostitution, die erotischen Szenen klappen einem die Kinnlade hinunter und man hört Binoche schon sagen: „Ja, ich möchte auch so ein verruchtes Leben führen!“
Lässt man sich den Film jedoch einige Tage auf der Zunge zergehen, stellt man mit Entsetzen fest, dass diese derbe Romantisierung der Prostitution mit dem eigenen Moralgefühl eigentlich gar nicht zu vereinbaren ist. Die blonde Studentin aus Polen säuft Wodka, lacht, schaufelt Pasta in sich hinein, lacht, säuft Wodka, lacht. Die Brünette grinst die ganze Zeit, als würde sie von einer romantischen Liebesbeziehung schwärmen. In der nächsten Szene vergeht sich ein Mann brutal an ihr.
Man weiß nicht ganz was man davon halten soll. Im Nachhinein fragt man sich, wieso niemand geschlagen, über den Tisch gezogen, oder ausgeraubt wurde. Es gab zu wenig Realität in diesem Film. Es war alles viel zu romantisch. Edel. Gut betucht. Französisch. Alle haben nur gelächelt und gelacht. Hihi, so verdiene ich mein Geld, hihi.
Binoche, im Film heißt sie Anne, erweckt am Ende des Film beinah den Eindruck, als würde sie selbst gern mal ‚um die Häuser ziehen‘ und ihrer eigenen Verruchtheit freien Lauf lassen. Ihr Mann hat darauf keine Lust. Am nächsten Morgen ist dann alles so wie vorher. Zu viert sitzt die Familie am Frühstückstisch, „Kann ich mal bitte die Cornflakes...?“ Annes Lächeln wirkt ein wenig eingefroren.
Der Titel des Films ist schon sehr doppelbödig. Eigentlich hat keiner von beiden, weder Anne, noch die Studentinnen, „Das bessere Leben“. Beide Seiten wollen das Leben des jeweils anderen leben. Wenn sie es könnten, was wäre dann? „Das bessere Leben Teil 2“?!
julia simpson am 21. April 12
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2 Kommentare
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pasta mampfn, vodka turn, vergewaltigt werden, pasta mampfn, grinsn...(->naa, wo ist der fehler?)
im gegensatz zu den protagonistinnen sieht man als beobachter ein breiteres bild der realität, auch ein breiteres bild der in bildhaften wahrnehmung der charaktere. bildhaft im sinne von subjektiver wahrnehmung "des anderen lebens" von aussen...